Christina
Verschickungsheim: Greiz
Zeitraum (Jahr): 1976/77
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: beides
Ich habe schon lange nach diesem Thema im Internet gesucht, leider hatte ich kein Erfolg mit der Eingabe im Internet “Misshandlung im Kinderkurheim DDR”, durch Zufall habe ich die Sendung im Fernsehen gesehen. Ich kann dem Allen zustimmen was bzw. wie es zugegangen ist. mit meiner Therapeutin habe ich schon über dieses Thema gesprochen. Ich weiß dass auch wir Medikamente eingenommen haben, Bestrafungen, sexuelle Gewalt, vor allem Angst etwas falsch zu machen. Nach der Kur weiß ich dass ich sehr eingeschüchtert war, in der Schule Angst hatte, meine Geschwister bis jetzt beschützen möchte (auch jetzt wenn ich schreibe sitze ich mit Tränen vor dem PC, obwohl ich schon 50 bin). Als ich mit den Eltern in Urlaub gefahren bin, hatte ich Heimweh und auf Toiletten immer Angst. Mit meiner Mutti kann ich nicht über dieses Thema ausgiebig reden. Sie sagt :”Ich dachte, wenn du zur Kur fährst, dass du mal was erleben sollst bevor du in die Schule kommst.”
Dieses Thema kam erst so richtig aus mir, als ich Ende 38 war. Da hatte ich einen Burnout. Gedächtnissverlust, Wortfindungsstörung und Agression. Hier wurde mir bewusst wie stark ich im Wesen eingeschüchtert war, mich ständig für andere geopfert habe, niemals “Nein ” gesagt, und doch in ständiger Angst etwas FALSCH zu machen, bis heute kann ich nicht Nachts schlafen, ich höre jedes Geräusch . Ich habe nie verstanden, dass Mütter sich beschweren, wenn sie Nachts von den Kindern geweckt werden. Meine Kinder haben schon vor dem Schreien die Flasche bzw. Brust bekommen. Und wenn sie mal Krank waren hat es mein Mann nie mitbekommen. Erst nach den Gesprächen mit der Therapeutin, ist mir dies aufgefallen. Medikamente habe ich nach der Kur ständig abgelehnt oder heimlich ausgespuckt. Jetzt nehme ich nur Antidepressiva damit ich zur Ruhe komme. Stärkere Medikamente zum Schlafen habe ich auch schon versucht, aber diese haben mich noch mehr aus der Bahn geworfen. Wenn ich müde bin, lege ich mich am Tag hin und so komme ich zur Ruhe, Meditation hilft mir auch sehr gut, und meine Familie hilft mir auch. Da ich selten im Netz bin möchte ich an dieser Stelle gleich etwas zum Kuraufenthalt schreiben. Ich erinnere mich dass ich meinen Eltern gleich gesagt habe, dass meine Puppe mir weggenommen wurde. Da meinte meine Mutti: “Das ist bestimmt nur, damit sie niemand kaputt macht.”, Diese Puppe hat mir meine Uroma geschenkt, als wir sie auf dem Weg zur Kur besucht haben. Ich habe ein Mädchen ständig beim Essen geholfen, damit sie nicht wieder erbricht und dass Erbrochene isst,( ich sehe mich wie ich der alten Dame von der Küchenausgabe, sagte ,dass sie nur wenig auf den Teller machen soll, damit wir den Teller untereinander tauschen, denn die Aufseherin hat beobachtet wieviel einige bekommen.
Und wenn die Aufseherin bei den Tischen hinter uns war, hat mir diese Dame zugezwinkert dass wir jetzt unser Essen bzw. Geschirr tauschen sollen. Den Geschmack von der Quarkspeise habe ich noch heute im Mund, die hat so gut geschmeckt, und ich finde es nicht heraus , wie sie zubereitet war. Als wir dann vom Spaziergang zurückgekommen sind, mussten wir am Küchenfenster Vorbei laufen. Die alte Dame hat so getan , als ob sie das Fenster schließt ( habe jetzt echt starke Emotionen beim Schreiben), dabei hat sie mir zugewunken.
Ich musste mal allein im Zimmer sein und im Bett liegen bleiben, dabei schaute ich immer zu meiner Puppe, diese saß auf dem hohen Schrank, und ich erzählte ihr alles.
Im Hintergrund weiß ich dass die Betten im Zimmer umgestellt worden sind, wieviel wir im Zimmer waren, weiß ich nicht,. Dass auch ständig jemand im Flur stehen musste war normal. Waschen im Waschraum war für mich ein großes Hinderniss, (und dass erinnerte mich auch in der Schule daran, als wir nach dem Sport in die Duschräume gegangen sind. Ich war immer die letzte die sich geduscht hat).
Ich schämte mich , als wir zur Lichtteraphie gegangen sind. Im Kreis sind wir nackt gelaufen und haben dabei Übungen gemacht, da wir ja die Schutzbrillen hatten, konnte man nicht viel sehen. Der Geruch war eklig in diesem Raum und auch die Berührungen vom Arzt. Er saß auf einem Stuhl und eine Schwester stand daneben, es war still und nur der Trommelschlag gab den Takt an. Irgendwie war danach alles still, auch im Waschraum, als ob wir betäubt waren. Früh bekamen wir immer ein Medikament. Kann sein , auch vor dem Mittagessen. Dass die anderen Kinder so ruhig waren kam mir komisch vor. Denn von zu Hause aus , kannte ich nur Aktion und Spaß.
Auf den Fotos sieht mann auch nur traurige Gesichter und als ob wir unter Drogen stehen. Dieses Foto konnte ich erst so richtig mit meiner Therapeutin anschauen. Vorher hatte ich diese im Kuvert versteckt, und nicht im Album. Meine Mutti hat sie auch nicht eingeklebt, weil ich ihr gesagt habe, dass ich mich nicht daran erinnern möchte wie schlimm es da war. Ich bin sehr froh dass ich diese Sendung gesehen habe, und mir dadurch bestätigt worden ist, dass ich mir dieses nicht eingebildet habe. Ich wünsche mir persönlich , dass auch jeder Therapeut und Arzt mit diesem Thema vertraut werden soll. Diese Unterdrückung zu erleben ist so grausam und man ist eingeschüchtert und feige diese Erlebnisse jemanden mitzuteilen. Wer glaubt denn dass schon , auch dass es in den 70.ern und bis in die 90.er gegangen ist. Als mich meine Ärztin mit dem Burnout zur Kur geschickt hat, habe ich gleich zu meinem Mann gesagt er soll mich zurückholen, wenn ich es wünsche. Ich hatte so eine Angst, dort hinzufahren. Ich dachte, wenn ich zur Psychosomatischen Behandlung fahre, habe ich kein Recht zu telefonieren oder raus zu gehen. Doch meine Familie hat gesagt , dass ich überall hin kann und auch jederzeit die Kur abbrechen kann. Ich hatte so ein Heimweh die ersten Tage, aber ich sah, dass auch viele andere psych. Probleme haben und alle Ärzte und Therapeuten nett und freundlich waren. Erst da konnte ich mich richtig kennenlernen und mein Mann hielt mir den Rücken frei und ich blieb freiwillig 10 Wochen da. Danke dass, ich mich hier so öffnen kann und auch Mut den Personen mache, die ähnliches oder noch schlimmeres erlebt haben. Ich weiß, dass noch ein blonder Junge mit mir in KM in den Zug gestiegen ist, und ich glaube 1 Mädchen mit dunklen Haaren, saß schon im Zug.