Anonym
Verschickungsheim: Kinderheim Markower Mühle
Zeitraum (Jahr): 1969
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: beides
1969 wurde ich zum Gewichtzulegen in diese Mastanstalt geschickt. Ich war eigentlich schon immer “klapperdürr” wie alle in meiner Familie. Doch in der Poliklinik war man der Meinung, das ich zunehmen müsse. (Dabei bin ich heute immer sehr schlank)
Was soll ich sagen? Vier Wochen lang die ekligsten Dinge zum Frühstück, angefangen mit warmer Haferschleimsuppe und dicken Kanten Brot mit viel Butter und Marmelade. Doch es half nichts, ich legte nur wenig zu, was ich bei den Untersuchungen auch zu spüren bekam. “Du musst besser essen!” dekoriert mit einer Ohrfeige.
Leider weiß ich die Namen der Ärzte nicht mehr, nur eine Betreuerin kenne ich noch. Schwester Birgit, zu der ich auch sehr viel Vertrauen hatte, da sie anders war als der Rest dieser Speichellecker der Partei. Manchmal nahm sie Kinder einfach in den Arm und tröstete.
Was mich heute immer noch verfolgt sind die ständige Unterdrückung und die vielen Schläge, die man immer bekam. Egal für was, du standest nur in der Nähe und bekamst auch eine mit. Meistens mit der flachen Hand ins Gesicht.
Doch das war nicht das Schlimmste, am meisten fürchteten sich die Mädchen vor den Untersuchungen vor dem Wochenende. Wir standen im Hauptgebäude in einer Schlange im Flur und mussten einzeln ins Untersuchungszimmer, wo nur ein Arzt saß. Wir mussten uns komplett ausziehen und wurden regelrecht befummelt. Dabei versuchte der Arzt auch bei mir mit dem Finger einzudringen. Es tat höllisch weh und er hörte erst auf, wenn man laut weinte. Manche Mädchen blieben länger im Untersuchungszimmer und da wussten wir alle schon was da passierte. Wir hatten alle panische Angst vor diesen Untersuchungen.
Ich habe die Jahre danach viel verdrängt und erst später gemerkt, das mich etwas immer noch belastet. Etliche Therapien haben mir geholfen, das wichtigste zu verarbeiten, der Grund, warum ich auch so offen darüber berichten kann.
Selbst heute würde ich meine Kinder niemals in eine Kureinrichtung schicken, da man als Elternteil keinerlei Sicherheit hat, das sich so etwas in heutigen Zeiten wiederholt.