Pony ab und Puppe weg

Anonym 
Verschickungsheim: Bad Frankenhausen
Zeitraum (Jahr): 1990
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: psychische Gewalt

Ich habe keine guten Erinnerungen an den Aufenthalt als Sechsjährige im Kurheim. Ich weiß noch, dass ich immer wieder versucht habe, tagsüber die Erzieherin ganz lieb zu fragen, ob ich bitte diesmal keine Leberwurstschnitte essen muss. Ich musste das anscheinen jeden Tag essen, obwohl ich es hasse (spätestens seit der Kur). Wir saßen als Kinder in der Sauna und haben alle nur auf die Eieruhr gestarrt, darauf wartend, dass wir endlich wieder rauskonnten (auch Saunieren hasse ich bis heute). Danach mussten wir in ein sehr langen eiskaltes Becken (auch das habe ich als sehr schrecklich in Erinnerung). Alles war irgendwie kahl und eben krankenhausmäßig. Man hat mir den Pony damals auf einen Zentimeter abgeschnitten, weil er mir wohl etwas in die Augen hing. Abends stand ich dann oft vorm Fenster und habe mir voller schmerzlichstem Heimweh Mut zugesprochen…irgendwo da draußen sind meine Eltern und mein Bruder, sagte ich mir immer wieder. Nachts kamen die Betreuer mit einem großen Scheinwerfer/Taschenlampe ins Zimmer und fragten, ob jemand aufs Klo müsse- dabei ist man jedes mal aufgewacht. Die Unterhosen wurden täglich nach Verunreinigungen kontrolliert, was ich als sehr demütigend empfunden habe. Mein Kuscheltier und einziger Halt wurde mir weggenommen, weil ein Ohr abgerissen war. Es lag dann weggeschlossen im Schrank vor dem Zimmer, was ich ebenfalls als sehr herzlos empfunden habe. Da ich noch nicht schreiben konnte, kamen bei meinen Eltern nur positive Postkarten an. Kontakt zu meinen Eltern durfte ich keinen haben. Meine einzigen beiden positiven Erinnerungen sind jene an eine Kissenschlacht und dass ich dort gelernt habe, wie man eine Prinzessin malt. Für 6 Wochen recht wenig.