Monika Braun
Verschickungsheim: Oldenburg
Zeitraum (Jahr): April 1965
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: beides
Auch ich wurde durch die TV-Sendung wachgerüttelt und möchte hier einige Details über den 6 wöchigen Aufenthalt in einem Kindererholungsheim 1965 mitteilen. Ich selbst war damals 7 und meine Schwester 5 Jahre alt. Es ging mit dem Zug nach Oldenburg.
Das Heim lag ausserhalb der Stadt mitten im Wald und ich weiss nicht, ob es evtl.über
die Awo vermittelt wurde.
Die anfängliche Strenge und penible Ordnung der betreuenden Schwestern war für uns zunächst sehr schwierig. Im großen Schlafsaal wurde ich eines Nachts am Ohr aus dem Schlaf gerissen und alleine in eine dunkle Kammer gesperrt. Ich war mir keinerlei Schuld bewusst, da ich fest geschlafen hatte. Meine Eltern und Geschwister wussten aber immer schon, das meine Augen nie ganz zu waren wenn ich schlief , so das hier wohl ein Missverständnis vorlag. Denn die Schwestern glaubten, ich sei der Störenfried im Schlafsaal. Es gab fast jeden Abend Stress, weil viele Kinder wegen Heimweh weinten.
Ich wurde dort zu Ostern 8 Jahre und durfte trotzdem nicht in die grössere Gruppe und musste weiterhin um 19.00 h ins Bett. Unsere Eltern schickten uns zu Ostern je ein Überraschungs- Ei mit Pralinen. Die deponierten wir in dem kleinen Nachttisch neben unseren Betten. Sie wurden aufgebrochen und gestohlen und wir weinten bitterlich. Wie konnte DAS sein, wo doch niemand unbeaufsichtigt allein in den Schlafsaal durfte?
Ich durfte keine Nachricht an meine Eltern schreiben, alles wurde geprüft, und meine Schwester konnte noch nicht schreiben. Negative Zeilen wurden zerrissen, und man durfte
dann nur noch einmal etwas Nettes senden.
Ich mochte zu der Zeit keine Tomatensoße und wurde von 3 Schwestern bis zum Erbrechen
zum Essen gezwungen. Danach musste ich mich nochmals alleine auf der kalten Toilette
übergeben.
In der Mitte unserer Kur bekam ich die Masern, wurde zu einem Arzt nach Oldenburg gefahren und musste dann 14 Tage in einem Dachzimmer isoliert verbringen. Ab und
an schaute eine dicke Köchin nach mir und brachte mir eine Orange vorbei. Sie sagte
dann, ich solle es Niemandem erzählen.
Diese Erlebnisse kann man nicht wirklich nachvollziehen, denn als Kind verdrängt man
vielleicht auch, um den Eltern, die bei 4 Kindern nur mal ein bisschen Ruhe brauchten,
keine Vorwürfe zu machen. Ich wollte meiner Mutter jedenfalls die Aufregung und
den Stress ersparen und habe erst Jahre später davon in abgeschwächter Form
berichtet. Erst durch den TV-Auftritt kommt wirklich alles hoch, als sei es nie ver –
deckt gewesen. Es erstaunt mich selbst!!!