Schwartbeck Gabriela
Verschickungsheim: Wildeshausen
Zeitraum (Jahr): 1959,1961
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: beides
Ich habe gestern im NDR den Bericht über Verschickung Kinder gesehen. Alles kam in Bildern wieder hoch. Mein Pech, ich würde gleich zweimal in dieses Heim geschickt. Verschickung Grund zum aufpäppeln. Zunächst wusste ich gar nicht warum ich von zu Hause weg musste. Die Zugfahrt war ein Abenteuer, wir hatten eine nette Begleitung.in Dort angekommen, es war ein kleines Heim in Wildeshausen von zwei älteren Diakonissen geführt, den Namen weiss ich nicht mehr. Allerdings diese beiden Gesichter haben sich bei mir eingebrannt. Die eine war Recht korpulent und war in der Küche. Vor dieser hat ich die meiste Angst Direkt nach der Ankunft müssten wir uns Badezimmer. Alle müssten sich ausziehen und dann würde jedes Kind wie am Fliessband in der Badewanne abgerutscht. Geredet werden dürfte nicht. Danach kamen wir sofort in unsere Betten. Es wurden Brote verteilt und etwas zu trinken und das war es. Gleich am ersten Abend machten wir Bekanntschaft mit dem Rohrstock. Abschreckend würde er auf jedem Bett geschlafen mit dem Hinweis das keiner zu Mücken hat. Die Angst war so gross, so dass ich gleich die erste Nacht ins Bett machte. Alle Kinder dürften mich auslachen und beim Frühstück nochmals. Es gab nur gemeinsame Toilettengaenge, auch da war schweigen angesagt. Zu den Mahlzeiten hatte jedes Kind ein Lätzchen. Es gab jeden Morgen ein Becher heisse Milch und eine Schüssel mit Haferflocken. Die schlimmsten Mahlzeiten waren für mich Mittag und Abendessen. Die Schüssel waren schon mit einer großen Portion gefüllt.Es musste alles aufgegessen werden und ein Nachschlag musste sein. Pech für den, der das nicht möchte und dabei erbrechen musste. Egal zusammen mit dem Erbrochen weiter essen. Es war einfach nur grausam und hat dazu geführt, dass ich gewisse Sachen bis heute nicht essen kann, ohne den Ekelfaktor. Hinzu kamen dann die Schläge. War die Schüssel nicht leer, kam dicke Tante aus der Küche, legte das besagte Kind in der Küche auf die Anrichte und schlug drauf los. Und wieder sollten alle Kinder lachen. Waren wir im Bett, dürfte keiner mehr zur Toilette, egal ob er musste. Resultat, Bett war nass, und wieder die aufsteigende Angst vor den Schlägen. Und abends bekam ich nichts mehr zu trinken. Mein Glück während dieser Zeit, ich würde richtig krank mit hohem Fieber, könnte so gut wie gar nichts essen, lag Recht lange krank und merkte, wie gut es war krank zu sein, da fiel der Druck mit dem Essen weg. Mein Pech zwei Jahre später war ich nochmals da zu den gleichen Bedingungen. Auch da würde ich krank, somit eine Auszeit vor den Schlägen und dem Zwangsessen. Insgesamt bin ich sehr erschrocken darüber, dass diese Praktiken überall in diesen Häusern stattfanden. Erschrocken auch darüber wie viel Kinder das erdulden müssten. Es ist gut dass es öffentlich gemacht wird. Natürlich hatte die Kur nicht das erreicht, was Ziel war, zuzunehmen, das Gegenteil war der Fall gekoppelt mit Angst vor dem Essen, teilweise auch Essstörungen.