Anonym
Verschickungsheim: Kinderkurheim St. Antonius Bad Münster am Stein
Zeitraum (Jahr): 1961
Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: psychische Gewalt
Durch Berichte in der Presse wurde ich auf das Thema aufmerksam gemacht und in mir wurden sofort schlimme Erinnerungen wach:
Ich wurde 1961 als 7jährige zusammen mit meinem 5jährigen Bruder dorthin geschickt, weil ich untergewichtig war und unsere Eltern uns etwas vermeintlich „Gutes“ tun wollten. Für mich ist es noch heute ein Trauma und ich habe vieles aus dieser Zeit nicht vergessen: Meine Post wurde korrigiert, dass ich fürchterliches Heimweh hatte und ich meine Eltern bat, uns abzuholen, wurde gestrichen und ich musste regelmäßig neu schreiben, dafür „durfte“ ich auch noch die Post von den anderen Kindern, weil ich ja so schön malen konnte, allein im Speisesaal nach dem Mittagessen dekorieren. Das war auch als Strafe gedacht, weil ich regelmäßig das Mittagessen erbrach, man zwang mich z B., die Haut vom Pudding zu essen oder die untergerührte Haut vom Kakao, der noch zusätzlich mit reichlich Traubenzucker gesüßt worden war, zu trinken. Das Erbrochene musste ich natürlich selbst aufwischen und meinen Teller aufessen. Auch musste ich die vollgemachte Hose und Unterhose meines kleinen Bruders auswaschen, wir durften ja nur geschlossen, wenn es angeordnet wurde, zur Toilette gehen und nicht, wenn wir wirklich „mussten“. Wenn wir im Solewasser in kleinen Holzwannen badeten, mussten wir zusätzlich noch Sole-Wasser trinken, auch das erbrach ich, musste aber meine Zeit in der Wanne damit absitzen. Meinem Bruder wurde Selbstgebasteltes einfach wieder abgenommen. Der zum Heim gehörende Spielplatz durfte aus mir unerklärlichen Gründen fast nie genutzt werden, stattdessen ging man mit uns zu einem stillgelegten Fußballplatz mit rostigem Tor. Das Schlimmste für mich war aber das Heimweh, das wohl auch durch die Angst vor der gestrengen Chefin, Fräulein Köhler, noch verstärkt worden war. Obwohl meine Eltern regelmäßig dort anriefen, wurde Ihnen gesagt, es ginge uns wunderbar, wir durften natürlich nicht ans Telefon. Das Resultat dieser 6-wöchigen Tortur war, dass ich noch 3 Kilo ab- anstatt zugenommen hatte, die Lippen mit Herpes übersät waren und ich lange Zeit nur „gabelspitzenweise“ essen konnte. Sicher habe ich vieles vergessen, aber insgesamt habe ich diese 6 langen Wochen als Hölle in Erinnerung und das alles damals unter dem Segen der Caritas!