Keuchhusten und Kopfläuse

Silbermond 

Verschickungsheim: Kindersanatorium Dr. Würz, Dornhan

Zeitraum (Jahr): 1984

Welche Arten von Misshandlungen/Missbrauch gab es?: beides

Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern, da ich zum damaligen Zeitpunkt erst 3 Jahre alt war. Im Jahre 19i4 wurde ich gemeinsam mit meiner Schwester die damals 5 Jahre alt war für 6 Wochen in das Kindersanatorium geschickt. Meine Schwester litt damals an chronischer Bronchitis. Ich war kerngesund sollte aber als Begleitung mitfahren.

Ich erinnere mich noch an unser Zimmer. Wir schliefen in einem Hochbett. Unser Zimmer war mit einem anderen Zimmer durch eine Tür verbunden. Doch die Tür wurde von den Erzieherinnen rausgenommen damit wir uns beibachten konnten. Im Nebenzimmer wohnten zwei Schwestern. Sie sagten gemeine Dinge über uns zu einer der Erzieherinnen. Was sie sagten weiß ich nicht mehr, nur das sie Gummibärchen bekamen und wir angeschrien wurden.

Die jüngere von den beiden Schwestern verrichtete ihr Geschäft nachts in der Schublade ihrer Kommode. Denn im Zimmer gab es keine Toilette. Die befand sich draußen auf dem Gang. Wir wurden aber über Nacht eingeschlossen, da wir nicht auf den Gang laufen durften. Ich habe immer ins Bett gemacht, daraufhin schlug mir die alte Erzieherin morgens immer auf den Kopf. Wenn ich daraufhin weinte schrie sie mich an.

Manchmal gingen wir wandern. An einem Tag fühlte ich mich nicht gut. Mein Kopf tat weh, ich schwitzte und mir war eiskalt.Ich fühlte mich wacklig auf den Beinen. Trotzdem zwangen mich die Erzieherinnen, das ich mitwandern musste. Zwei ältere Mädchen hakten mich unter und schleiften mich mit.

Am nächsten Tag wurden ich und meine Schwester auf unser Zimmer gebracht und dort eingeschlossen. Nur zum Fiebermessen kam die alte Erzieherin vorbei. Sie war nicht besonders vorsichtig und es tat immer sehr weh.

An einem heißen Tag wurde ein großer Pool mit Leiter im Garten aufgebaut. Wir freuten uns weil wir dachten, das wir darin baden durften. Eine der Erzieherinnen zwang uns sich im Kreis um den Pool herum aufzustellen. Dann wurden die Kinder der Heimleitung geholt. Sie durften im Pool baden und wir mussten zugucken.

Eine weitere Erinnerung habe ich an den Posttag. Wir bekamen Postkarten oder Pakete von den Eltern. Ein Mädchen hat wohl neue Unterhosen bekommen. Sie tanzte im Garten herum hob ihren Rock und zeigte allen stolz ihre neue Wäsche. Ein Junge sagte dies einer Erzieherin. Diese zwang das Mädchen ihre Unterhose auszuziehen, dann warf sie diese in die Mülltonne. Der Junge bekam eine Tüte Gummibärchen.

In der Sportstunde sollten wir über eine Turnbank springen. Ich hatte Angst und traute mich nicht. Die Sporterzieherin sagte einem älteren Jungen das er mich schubsen sollte, was dieser dann auch tat. Ich fiel aufs Gesicht. Die anderen Kinder und die Erzieherin lachten.

Die schlimmste Erinnerung aber war die an ein Mittagessen im Garten. Es gab Griesbrei. Meine Schwester ekelte sich davor, wurde aber dazu gezwungen den Brei trotzdem zu essen. Sie übergab sich in ihren Teller. Drei Erzieherinnen gingen zu ihr. Eine hielt ihre Arme hinter dem Stuhl fest, die Zweite hielt ihr die Nase zu und die Dritte verabreichte ihr das Erbrochene mit einem Löffel. Diese Szene wiederholte sich mehrere Male. Ich sehe immer noch meine Schwester vor mir wie sie würgt, schreit und weint. Ich saß direkt neben ihr und konnte ihr nicht helfen.

Vom Logischen her ist mir durchaus bewusst, das ich ihr damals nicht helfen konnte. Ich war ja erst 3 Jahre alt. Aber ich fühle es nicht. Ich fühle mich schuldig und dieses Schuldgefühl werde ich einfach nicht los.

Kontakt zu unseren Eltern durften wir während der 6 Wochen nicht haben. Sie durften uns auch nicht besuchen.

Durch Erzählungen meiner Mutter weiß ich, das wir verwahrlost nach Hause kamen. Dreckig seien wir gewesen. Hätten Keuchhusten und Kopfläuse gehabt.

Die Bilder verfolgen mich bis heute