Von: Daniela Schneiderheinze Mein Heim: Sankt Peter Ording Haus Quisisana Zeitraum der Verschickung Sommer 1977 Meine Geschichte: … und ich dachte immer, ich bin einfach nur zu weich. Ich war mit meinem Zwillingsbruder Rene drei Wochen in Sankt Peter Ording, Haus Quisisana. Wir waren 5 Jahre alt. Meine Eltern wollten uns eigentlich Gutes tun. Wir waren in keiner Kita und vor der Vorschule, sollten wir Kontakt zu anderen Kindern haben. Bekommen haben wir: - Mein Bruder und ich wurden wohl voneinander getrennt. Er kommt in meiner Erinnerung dort jedenfalls nicht vor. Wir waren davor immer!zusammen. - Eine Zugfahrt mit einer Frau, die mit einer Tageszeitung gedroht hat, uns zu verprügeln, wenn wir nicht ruhig sind. Wir waren sehr viele Kinder in einem Abteil. - Toiletten, die bis oben hin mit Fäkalien waren. Ich konnte nicht auf die Toilette gehen, ich war angeekelt und erstarrt. - „Tante Gerda“ - eine grosse, hagere Frau, die nackt durch den Speisesaal gerannt ist und (in meiner Erinnerung) eine Wespe gejagt hat. - Sascha. Ein korpulenter Junge, der mit seinen Hosenträgern an den Stuhlgefesselt wurde, damit er still sitzt. - Lapidar, aber für mich erinnerlich: mein zweiter Schuh war weg. Ich bekam viel zu grosse, fremde Schuhe, in denen ich keinen Halt hatte. - Hungerbauch. Aufgebläht und dünne Ärmchen. - Rückkehr: Rotes Licht am Bahnhof. Ich kralle mich an den Hals meiner Mutter und weine hysterisch. Mein Bruder war apathisch, weil auf beiden Ohren taub. Zu Hause warteten wohl alle Onkel und Tanten mit einer „Überraschungsparty“, die wir nicht mitbekommen haben. Meine Mutter hat mir davon erst Jahre später erzählt. Jahrelang habe ich steif, unter einer glattgestrichenen Bettdecke, mit gefalteten Händen geschlafen. Ich hatte Handwaschzwang. Das ging nach der Pubertät weg. Ich dachte immer, ich bin zu weich. Durch die Aktion hier weiss ich - ich bin nicht allein. Wer weiss, was da noch war, aber ich es nicht mehr weiss. Für uns alle LG Daniela
Wer weiss, was da noch war, aber ich es nicht mehr weiss
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